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Tag 2 - Leben und genießen am Fluss...

 

Es ist erstaunlich, was wenige Stunden Schlaf bereits bewirken können. Gegen Mittag standen wir wieder auf. Frisch und munter waren wir bereit für den Rest des Sonntages. Sultan kam mit etwas Verspätung. Mit seinem Wagen ging es dann quer durch die Stadt zu seinem Büro, welches mitten in dem Viertel liegt, wo auch der Großteil der gut 200 Hilfsorganisationen in Tadschikistan seinen Sitz hat. Einmal Hupen vor dem Blechtor, und schon öffnet es sich auf wenig magische Weise.

Ein kleiner Innenhof, schon leicht vertrocknet vom Sommer, erstreckt sich hinter dem Tor. Wir werden von Anja, die wir schon am Morgen kennen lernen durften, und Taj, Sultans Bruder, begrüßt. Sultan bat uns in sein Arbeitszimmer. Es gab süßen Kaffee, und dann kreiste das Gespräch um unsere Fahrt durch den Norden des Landes. In seine Heimatstadt Mazar-e Sharif will Sultan uns lotsen - die Strecke sei kein Problem. Ulrich ist begeistert. Balkh, die Geburtsstadt Rumis, liegt nur dreißig Kilometer entfernt.

 

 

Aber auch über Tadschikistan reden wir. Viel reicher als die Afghanen sind die Tadschiken nicht, aber sie verfügen noch über jede Menge Infrastruktur aus den Zeiten des sowjetischen Imperums. Doch vieles ist durch den Bürgerkrieg zerstört worden oder aber wird nicht gewartet. Korruption ist eines der größten Probleme im ganzen Land. Lehrer bekommen zum Beispiel zu wenig Lohn, dass sie die Fahrt zur Arbeit nicht einmal bezahlen könnten. Und so kaufen sich die, die es sich leisten können, ihren Kindern gute Abschlüsse, damit sie auf eine Universität gehen können, wo dann wieder Leute die Hand aufhalten.

Gegen Nachmittag wollte Sultan uns noch ein wenig seine neue Heimat zeigen. Ins Warzab-Tal sollte die Reise gehen. Und so fuhren wir dann mit dem Wagen am großen Zement-Werk von Duschanbe vorbei in Richtung Norden. Außerhalb der Stadt fielen viele Jungen auf, die mit Blumensträußen am Straßenrand standen und immer halb vor den Wagen sprangen, wenn sie uns kommen sahen - alles um ein paar Blumen zu verkaufen. Auffällig an den Hügeln - der Kahlschlag der Wälder führt bereits zu starker Bodenerosion.

 

 

Das Tal des Warzab war wunderschön. Ein blau-weißer Gebirgsfluss, der sich in einem felsigen Tal zwischen grünen Hängen und kleinen, verträumten Häusern entlangschlängelt. Wir fahren auf einer alten Asphaltstraße mit rasantem Tempo. Immer wieder muss Sultan aufpassen, dass wir nicht mit entgegen kommenden LKW kollidieren. Rund 30 Kilometer außerhalb von Duschanbe und einige Meter höher dann ein Stopp - und ein Panorama, dass wie aus einem Reisekatalog zu sein scheint.

Wir fahren noch ein wenig weiter, vorbei an der Datscha des Präsidenten, um dann hoch oben in den Bergen erneut zu halten. Sultan springt auf einen Stein mitten im Wasser, wir erfrischen uns von der Fahrt. Die Menschen verwenden hier oben ganz einfache Wasserräder, um das Wasser aus dem Fluss zu schöpfen - man könnte fast sagen, das Wasser schöpft sich selbst. Ein einsamer Esel trottet die Straße entlang an uns vorbei und wir machen uns wieder auf den Rückweg - erneut am Präsidentenhäuschen vorbei.

 

 

Verborgen hinter einem Zaun hat sich Tadschikistans Machthaber an einer der schönsten Ecken des gesamten Tales ein prächtiges Anwesen für fünf Millionen Dollar bauen lassen. Die Hänge sind allesamt grün und hinter den Zäunen zur Straße kann man es sich richtig gut gehen lassen. Erstaunlicherweise sind aber nirgendwo Soldaten zu sehen - aber die wird El Presidente wohl unsichtbar und in zivil im Hintergrund halten. Er will sich ja auf seinem Anwesen erholen, während der Durchschnittstadschike zusehen kann, wie er über die Runden kommt.

Es war bereits späterer Nachmittag, als wir an einer Brücke halt machten und über den Warzab übersetzten. Die landestypischen Eisengestelle, belegt mit Polstern und Teppichen, standen hier am Fluss und luden zum verweilen ein. Wir waren an Sultan's Place, dem Anteil unseres Gastgebers an der noch spärlichen Tourismusindustrie seines Landes. Schnell wurde für uns ein Platz geräumt und das Essen aufgetischt. Wir machten es uns bequem und Rupert nahm erst einmal das Rauschen des Flusses auf.

 

 

Die Fische, die man uns servierte, waren frisch gefangen und über einem Holzkohlenfeuer gegrillt. Derart leckeren Fisch hatte ich noch nie gegessen. Er war so knusprig, dass man sogar die Gräten ohne Probleme mit Verspeisen konnte. Nach gut zehn Minuten wurde eines der Sitzgestelle direkt am Wasser frei, woraufhin wir umzogen uns es uns nun direkt über dem Wasser gemütlich machten - eine angenehme Kühle von unten. Der Speiseplan wurde um leckere, im Wasser des Warzab angenehm gekühlte Melonen erweitert, die saftig und süß waren.

Sultan begrüßte derweil noch einen alten Freund, der Sohn eines Ministers, welcher es sich mit hübschen jungen Damen im Gefolge ebenfalls gemütlich gemacht hatte. Rupert interviewte einmal mehr Sultan. Das Wasser rauschte, das Essen war herrlich und eigentlich hätten wir den Rest des Tages einfach nur dort liegen können. Aber leider rief der Terminplan, denn wir waren zum Abendessen beim Geschäftsträger der deutschen Botschaft, Wolfgang Kistenich, eingeladen. Und so ging es zurück nach Duschanbe.

 

 

Nach einem kurzen Stopp in unserer Unterkunft und einem Wechsel zu einer dem Anlass angemesseneren Kleiderordnung fuhren wir dann zum Haus der Kistenichs. Obwohl das Viertel in der Nähe des Präsidentenpalastes lag, spielten auf der Straße vor dem Anwesen verschmutzte Kinder in der Gosse und zwischen Müllbergen. Hinter dem Tor dann eine andere Welt - kurzer Rasen und ein Hauch von Deutschland. Herr Kistenich und seine Frau Waltraud begrüßten uns und stellten uns den übrigen Gästen vor.

Sehr erfreut zeigte sich Ulrich über die Anwesenheit des afghanischen Botschafters in Tadschikistan, mit dem er sich auch intensiv über das Land unterhielt. Rupert hatte während dessen einen ganz anderen Gesprächspartner gefunden. Paul-Henri Morard vom Internationalen Roten Kreuz in Duschanbe hatte eine ganz besondere Geschichte: die Familie seiner Schwiegermutter, einer Vietnamesin, hatte Ende der siebziger versucht, auf dem Seeweg aus Vietnam zu entkommen und wurde dabei von Ruperts Cap Anamur aus dem Meer gefischt. Angeregt unterhielten sich die beiden gut zwei Stunden über diese Geschichte.

 

 

Ein leckeres Essen, viele Gesprächer, aber auch der bei diesen Anlässen unvermeidliche Small-Talk rundeten den Abend, bei dem wir eine deutsche UNO-Mitarbeiterin beinahe noch mit auf unsere Tour genommen hätten (mehr dazu unter den Extras) ab. Ich führte noch ein Interview mit dem afghanischen Botschafter, was aber nicht wirklich zu gebrauchen war, und gegen zehn Uhr verließen wir dann die Kistenichs. Müde fielen wir ins Bett. Am nächsten Morgen sollte Afghanistan auf uns warten.